PODIUMSDISKUSSION: "Sex wie im Porno?"
mit Bianca Kennedy (Kunststudentin) , Dr. André Wendler (Filmwissenschaftler), Maike Brochhaus (Regisseurin), Hans-Peter Breuner (Sexualpädagoge bei profamilia), Anna Schilling (Gender Studies
Absolventin)
SONNTAG, 09.06.2013, ab 17:00 Uhr
Eine queer-feministische Podiumsdiskussion zum Thema sexuelle Selbsterfahrung vor dem Hintergrund pornographischer sowie pornographisierter Bilder und Filme. Verstehen wir
pornographische Medien als Konsumgut ähnlich wie Kleidung oder Kosmetikprodukte, fällt auf, dass der Mainstream-Porno sexuelles Begehren und die sexuellen Bedürfnisse aller
Geschlechter undifferenziert und eindimensional darstellt und so stets das Gleiche zum Kauf anbietet.
Ist realer Sex wie im Porno? Sollte er so sein? Thema-Kampagnen wie PorNo auf der einen und die Produktion feministischer Pornos auf der anderen Seite bilden die äußeren Positionen
in der Diskussion
um Pornographie.
In der Podiumsdiskussion wollen wir Entwicklungsparameter zur sexuellen Selbstbestimmung diskutieren und die Wirkung von Pornos und pornographisierten Medien auf die individuelle
Sexualität erörtern.
Teilnehmer_Innen auf dem Podium:
- Halina*, queer-fem Aktivistin und Workshopleiterin von der
„genderbaustelle Leipzig“, früher das Ladyfest Leipzig
- Hans-Peter Breuner, Sexual- und Genderpädagoge bei „Pro
familia“ in Würzburg
- Maike Brochhaus, Regisseurin des postpornografischen
Filmexperiments „häppchenweise“ und Dozentin der Kunstwissenschaft in Köln
- Bianca Kennedy, Produzentin des Stop-Motion-Pornofilms
„Weirdo´s brain“ und Kunststudentin in München
- André Wendler, Medienkulturwissenschaftler am
Internationalen Kolleg für Kulturtechnikforschung und Medienphilosphie in Weimar
- Moderation: Marika Levien, Team des 3. Femfests
Interessante, heiße Internetseiten
Seite des Europäischen feministischen Filmpreises mit den Gütekriterien für feministische Pornos:
Kanadische Seite des Sexshops „Good for her“ in Toronto sowie des Feminist Porn Awards:
Für lesbische Frauen:
Queer und trans* Pornografie:
Blog zum Hintergrund verschiedener Porno-Produktionsfirmen:
Seite der Pornofilmproduzentin und Regisseurin Petra Joy:
Seite der Pornofilmproduzentin und Regisseurin Erika Lust:
Das Jungs- und Giddyheft, eine feine Alternative zu den üblichen Sexheftchen:
Das Festival für (post-) pornografische Filme in Berlin:
Seite der Sexaktivistin und Sexshopbetreiberin in Berlin Laura Méritt:
Porno-Collagen mit z. B. 70-er Jahre-Material und eigener Bestöhnung von zwei Schweizer Gestalterinnen:
Die in Hessen gebürtige Illustratorin, Comic-Künstlerin, Kommunikationsdesignerin, Kunstvermittlerin und Wendo-Trainerin lebt heute in Berlin und lässt
sich dort durch die Geschichten des Alltags inspirieren. Viele ihrer Zeichnungen drehen sich um die Themen Geschlecht, sexuelle Orientierung und auf ihnen basierende Ausgrenzungen. In
Berlin gibt sie unter anderem Kurse zur "Kunst der Selbstbehauptung".
http://www.ka-comix.de/index.htm
Tanzperformance - Empfangsverhütung
Teresa Hoffmann, Chiara Kastner, Sophie Schmid
Sonntag, 9. Juni 2013, 11.30 Uhr
Viele Worte, Klimper, klimper, klirr, zwinker, zwinker
klack, klack, darf ich vorstellen, blopp, finden Sie nicht auch
hahaha, entschuldigen Sie mich, klack, klack
was für ein, darauf ein: zschschsch.
Wie viel Empfang ist im Empfang? Vielleicht alles nur ein Spiel zur Empfangsverhütung
JAGODA ROSUL-GAJIC: "Auf dem Weg zu Europa - Umsetzung der Gleichstellungspolitik in Kroatien"
Sonntag, 09. Juni 2013
Europa wächst zusammen unter historisch unterschiedlichen ökonomischen und gesellschaftlichen Bedingungen der Mitgliedstaaten. In den ost- und mitteleuropäischen Staaten wurde die
EU-Mitgliedschaft als Chance für Frauen gesehen. Zum 1. Juli 2013 tritt auch Kroatien der Staatengemeinschaft bei.
Anfang der 90er Jahre zerfiel Jugoslawien, der Kroatien als einer ihrer Republiken angehörte. Gewalt, Krieg und Nationalismus brachten mit sich eine Marginalisierung von Frauen und
ihrer Interessen und begünstigten eine Expansion der Frauenbewegung. Die Ausgangsbedingungen für eine geschlechtergerechte Gesellschaft waren in Kroatien ungünstig. Dennoch ist in der
letzten Dekade ein umfassender gleichstellungspolitischer Wandel zu beobachten. Was waren Voraussetzungen für diesen Fortschritt und wie kam es dazu?
Welchen Einfluss hat die EU auf die Gleichstellungspolitik Kroatiens?
Was sind die Herausforderungen für die Umsetzung der Gleichstellung der
Geschlechter?
Wie sieht die Lebenswirklichkeit von Frauen in Kroatien heute aus?
![Jagoda.jpg](https://mail.google.com/mail/u/0/?ui=2&ik=706d013c44&view=att&th=13eef43f8dce9a61&attid=0.1&disp=thd&zw)
MIRIAM GEBHARDT: „Das Unbehagen im deutschen Feminismus - eine kritische Diskursgeschichte“
Samstag, 08. Juni 2013
in Kooperation mit der Akademie Frankenwarte
Die deutsche Frauenbewegung war einmal
vielstimmig, aufregend und international führend. Doch mittlerweile ist der deutsche Feminismus programmatisch unbedeutend,
organisatorisch unsichtbar und zusammengeschrumpft auf eine Medienfigur - Alice Schwarzer.
Jede gesellschaftspolitische Frage, sei es die Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder die Frauenquote, findet seit Jahrzehnten meist nur eine einzige feministische Antwort, nämlich »die Antwort« von Schwarzer. Mit ihrer ideologischen Unbeweglichkeit hat sie viele Frauen der Bewegung, die eigentlich für ihre Rechte streiten sollte, entfremdet. Der Vortrag wird die historischen Bedingungen dieser Entwicklung rekonstruieren und fragen, ob
die aktuelle Sexismus-Debatte und der #Aufschrei im Internet der Beginn einer neuen feministischen Bewegung
oder doch nur die Fortsetzung des Siebzigerjahre-Feminismus darstellen.
Miriam Gebhardt, geboren 1962, ist Historikerin, Journalistin und Buchautorin. Neben ihrer journalistischen Arbeit, unter
anderem für die Süddeutsche Zeitung, die ZEIT, den STERN und für Frauenzeitschriften, promovierte sie in Münster und habilitierte sich an der Universität Konstanz, wo sie als Privat-Dozentin
lehrt. Sie wohnt im Isartal bei München. Sie veröffentlichte 2012 das Buch „ALICE IM NIEMANDSLAND – wie die deutsche Frauenbewegung die Frauen verlor“.
www.frankenwarte.de
KATHARINA SCHULZ &
MARKUS WEISSSCHNUR: "BAUCH RAUS, BRUST REIN! GESCHLECHTERBILDER IM FOKUS
-
Neue Perspektiven gewinnen anhand gestellter Bilder" Sonntag, 9. Juni 2013
Geschlechterbilder: Wir haben ganz allgemeine, aber auch ganz persönliche Erfahrungen damit gemacht,
wie wir Männlichkeit und Weiblichkeit körperlich zeigen oder dieses Konzept bewusst brechen. Wir glauben, ohne diese Bilder zu leben und merken nicht, wie sehr sie dennoch unser Verhalten
bestimmen, dass wir sie manchmal ablegen können und manchmal nicht ohne sie auskommen Anhand von Standbildern, die wir im Kurs stellen werden, nähern wir uns dem Thema mit
kreativ-künstlerischer Methode ganz bildlich und konkret an. In Gesprächsrunden diskutieren wir das, was wir anhand der Standbilder gesehen haben. Bitte keine Scheu vor dem Wort
„Theaterworkshop“: Vorkenntnisse sind keineswegs notwendig und eingeladen sind alle, die ihre Erfahrungen über Geschlechterbilder teilen oder neue Erkenntnisse zu diesem Thema und Begriff
gewinnen möchten.
Anmelden könnt ihr euch gerne unter bauchraus@gmail.com. Aber natürlich sind alle, die am Wochenende kurzfristig teilnehmen möchten, ganz herzlich eingeladen.
Die Anmeldung hilft uns nur zur besseren Planung. Auch bei Fragen zum Workshop stehen wir euch gerne unter dieser Adresse Rede und Antwort.
PECHA KUCHA
Sonntag, 09. Juni 2013
Dieses Jahr soll es beim FestFest erstmalig einen Pecha Kucha Block geben (
http://de.wikipedia.org/wiki/Pecha_Kucha). Diese Form der kurzweiligen Vorträge ermöglicht es allen, ihr Wissen über spezielle oder
ganz allgemeine Themen zu queeren/ (trans)gender/ feministischen und damit verbundenen Sachverhalten innerhalb einer kleinen Präsentation zu teilen.
Falls Ihr Interesse habt, daran teilzunehmen, dann meldet Euch einfach bei uns (femfestwue@googlemail.com) Wir freuen uns über Eure Beiträge!
Wer sich schon mal vorab inspirieren lassen will: In Würzburg finden regelmäßig Pecha Kucha Abende statt - abwechselnd im Cairo, in der Kellerperle oder im Coworking
(siehe
http://www.facebook.com/pechakuchawue)!
Veganes Essen
An beiden Tages des Festes wird es ständig vegane Kleinigkeiten geben. Die beiden kulinarischen Highlights sind das
Essen am Samstagabend ab 18:30 Uhr im Hof und das morgendliche Brunch am Sonntag ab 11 Uhr.
Es gibt nicht nur Youporn!
Dass Pornos sexistisch sein müssen, ist im Feminismus schon lange kein Konsens mehr. Unter dem Titel „Sex wie im Porno?“ diskutierten fünf ExpertInnen
auf dem Femfest-Podium über die Realitätsnähe von Pornographie, die Folgen für Jugendliche und mögliche Alternativen zum Mainstream-Porno.
Die Pornowelt ist eine sonderbare Welt. Wer sich auf Sexfilm-Portalen im Internet bewegt, könnte annehmen, nur Männer hätten Lust auf Pornographie. Noch
absurder sind die Protagonisten der Filme: aufgepumpte Mucki-Männer „rammeln“ dickbusige, junge Blondinen – möglichst schnell und brutal.
„Dampfhammerficken“ nennt Maike Brochhaus die Sexpraxis, die in den meisten Mainstream-Pornos vorgelebt wird.
„Youporn langweilt mich“, sagt sie über das größte Porno-Portal im Netz. Brochhaus ist Regisseurin des postpornografischen Filmexperiments „häppchenweise“, mit dem sie ein vielfältigeres Bild
von Menschen beim Sex zeigen möchte.
Von Alice Schwarzers „PorNo“-Kampagne, die pornographisches Material verbieten möchte, hält Brochhaus nichts. „Wir wollen Pornos nicht abschaffen, sondern
Alternativen produzieren“, erzählt sie. Brochaus, die sich als Pro-Sex-Feministin bezeichnet, will mit ihrer Arbeit Gegenbilder schaffen. „Uns geht es darum, Inseln zu schaffen, in denen es
anders läuft“, erzählt sie.
Vor einer „Pornographisierung der Gesellschaft“ ist seit dem einfachen Zugriff über Netzportale im letzten Jahrzehnt immer verstärkter die Rede gewesen.
Hans-Peter Breuner, Sexualpädagoge bei „Pro familia“ in Würzburg, hat als Reaktion auf den steigenden Porno-Konsum von Erwachsenen und Jugendlichen eine „Verwahrlosungsdebatte“ in den Medien
beobachtet: „2007 rollte eine Medienwelle zum Thema Porno auf uns zu“, erzählt Breuner. Damals sei die sexuelle Verwahrlosung von Jugendlichen durch Pornographie prophezeit worden. „Die
Studien, die heute dazu vorliegen, bestätigen diese Annahmen aber nicht“, betont Breuner. Man dürfe das Material nicht bagatellisieren, aber auch eine Skandalisierung führe zu
nichts.
„Nicht bagatellisieren, aber auch nicht skandalisieren“
Breuner, der mit männlichen Jugendlichen arbeitet, hält Pornographie vor allem für eine Art Durchgangsmaterial auf dem Weg zum Erwachsenwerden.
„Jugendliche fragen heute nicht mehr ihre Eltern, wenn es um Sex geht“, erzählt er. Mit steigendem Alter würden die Filme aber zunehmend irrelevant.
Dass in den Pornos sexistische und realitätsferne Praktiken gezeigt werden, hält Breuner für weniger problematisch: „Jugendliche gehen heute sehr
gleichberechtigt miteinander um, auch beim Thema Sex.“ Einen Zusammenhang mit dem Erhalt sexistischer Strukturen und Pornographie sieht er nicht. Nicht alle im Raum teilen Breuners Annahme:
„Die Filme verfestigen eindeutig Rollenbilder“, wiederspricht eine Zuschauerin und warnt vor der Reproduktion von Geschlechtszuschreibungen.
Podiumsteilnehmerin Anna Schilling, die an der Universität Basel Geschlechterstudien studiert, bestätigt einen ähnlichen Eindruck: „Wir treffen vor allem
auf phallus-zentrierte Filme“, erzählt sie. Das meiste im Internet verfügbare Material sei ausschließlich auf Männer ausgerichtet. „Die Frage ist, ob Jugendliche das reflexiv verarbeiten
können“, erzählt sie.
Das Fazit der Debatte fällt schließlich zweigeteilt aus: was die Pornos auslösen, kann nicht eindeutig geklärt werden. Dass sie spurlos an den Jugendlichen
vorbeigehen, bezweifeln jedoch die meisten.
Authentizität: „Porno bleibt ein künstliches Produkt“
Zumindest auf die Frage, wie authentisch ein Porno grundsätzlich sein könne, findet sich eine eindeutige Antwort aus der Praxis: „Es geht realitätsnah“,
erzählt die Produzentin Brochhaus. Schlussendlich sei es aber trotzdem ein künstliches Produkt: „Man kriegt die Künstlichkeit nicht raus.“ Für das Produzieren von Gegenbildern setzt sie sich
trotzdem ein: „Eigentlich sollten wir uns jetzt alle ausziehen und einen Porno drehen“, schlägt sie vor.
Sexismus sells!
Die Rapperin Sookee erklärt auf dem 3. Femfest, wie Sexismus im deutschen Hip-Hop funktioniert. Und weshalb wir uns weniger über die „Rüpel-Rapper“ empören sollten als über die Gesellschaft,
die ihre Songs abfeiert. Woher kommt der Erfolg von Rappern, die sich „Frauenarzt“ oder „King Orgasmus“ nennen? Warum ist Sexismus im Hip-Hop so erfolgreich? Am besten erklärt das eine, die bei
diesem Spiel nicht mitmacht: Sookee, selbsternannte „Quing of Berlin“, ist Rapperin und studierte Germanistin.
„Rapmusik, die Klischees bestätigt, wirkt authentisch“, erklärt die Berlinerin, die sich schon an der Uni mit den Mechanismen auseinandergesetzt hat, die den Sexismus im deutschen Hip-Hop so
beliebt machen. „Für eine bürgerliche Gesellschaft, die sich mit ihren Problemen nicht auseinandersetzen will, sind Figuren wie Bushido extrem nützlich“, erzählt Sookee. So könne sich die
Gesellschaft über Tabubrecher empören, ohne sich mit den eigenen Vorurteilen befassen zu müssen. „Wenn ich über andere lästern kann, muss ich mich nicht mit meinen eigenen Vorurteilen nicht
auseinandersetzen“, so Sookee.
Rap wird in den 80ern erfolgreich, weil es rassistische Klischees bestätigt. Das Prinzip lasse sich seit Entstehung der amerikanischen Hip-Hop Kultur in den 80er Jahren beobachten, berichtet die
Musikerin. „Rap wurde damals erfolgreich, weil es für jugendliche, weiße Käuferschichten interessant wurde.“ Die Rapper bestätigten rassistische Klischees, um ihre Verkaufszahlen zu fördern. Die
Symbolwirkung der Texte hinterlässt schließlich einen nachhaltigen Eindruck: Missstände wie Arbeitslosigkeit und Kriminalität werden nicht mehr der rassistischen Wohnungs- und Sozialpolitik des
Staats zugeschrieben, sondern den Minderheiten der Großstadtghettos und deren vermeintlich krimineller Natur.
„Geschlechterbilder funktionieren über Andersartigkeit“
So entstanden im Hip-Hop Zerrbilder, ohne die kommerziell erfolgreicher Rap kaum mehr funktioniert. Neben rassistischen Klischees sind das vor allem einseitige Geschlechterrollen: Der Gangster,
der Pimp und die Hure. Während der Mann noch als aggressiver Gauner oder Draufgänger taugt, ist die Frau nur „Hoe“, also Hure. Oder, einzige Ausnahme, als „heilige“ Mütter. Selbst die wenigen
Frauen im Hip-Hop bemühten sich nicht um ein Gegenbild, erzählt Sookee. „Wenn es um Macht geht, rappen Frauen nur darüber, wie es wäre, wenn sie ein Mann sind.“ Weshalb die Geschlechterbilder so
einseitig besetzt sind, erklärt Sookee mit Ansätzen aus der kritischen Männlichkeitsforschung. „Männlichkeit und Weiblichkeit funktionieren über Andersartigkeit.“ Im Hip-Hop, aber auch in unserer
Gesellschaft stehe der „penetrierende“ Mann im Vordergrund des Geschehens. Homosexuelle Männer gelten daher etwa als „Verräter von Männlichkeit“. Im Rap hat sich dafür der Ausspruch „No Homo“
etabliert, mit denen Rapper ihre heterosexuelle Männlichkeit klarstellen. „Pro Homo“ statt „No Homo“ Sookee selbst ist einer der großen Ausnahmen in der deutschen Rap-Welt. „Ich gieße Salz in
Wunden“, betont sie. Aus dem homophoben „No Homo“ wird etwa „Pro Homo“, so ein Titel auf ihrem aktuellen Album „Quing of Berlin“. Die herrschenden Geschlechterdogmen konterkariert sie: Männer
können Gefühle zeigen, Frauen auch stark sein. Wie reagieren etablierte Rapper auf den Gegenentwurf? „Die reguläre Szene findet mich sehr scheiße“, antwortet Sookee. Die meisten könnten mit ihrem
Konzept schlicht nichts anfangen – schließlich bricht es mit bekannten Mustern. Und wie lautet nun das Erfolgsrezept der deutschen „Rüpelrap-Sexisten“? Sookee nennt mehrere Beispiele. Etwa den
Rapper „Frauenarzt“, der sich vor etwa zehn Jahren in die Szene katapultierte. Nach öffentlichkeitswirksamen Debatten um seine Musik und Indizierungen durch die „Prüfstelle für jugendgefährdende
Medien“ stieg die Aufmerksamkeit für seine Person. Das Ergebnis: Die Verkaufszahlen schossen in die Höhe.
„Bushido ist nicht das Problem“
Mittlerweile macht der Rapper soften „Ballermann-Rap“ oder Diskohits mit Popgrößen wie „Nena“. Der Sexismus ist nicht mehr so deutlich wie früher, das Publikum ist mainstreamiger. Am Ende, so
Sookee, gehe es vor allem um Verkaufszahlen. Gerappt wird, was sich verkauft. „Das funktioniert, weil es sich kapitalistisch verwerten lässt“, erzählt Sookee. Mit ihrem kommerziellen Erfolg
werden die einstigen Tabu-Rapper schließlich auch in der bürgerlichen Gesellschaft salonfähig. Für Anerkennung sorgt dann der Ruf des „guten Geschäftsmanns“. Plötzlich werde dann sogar einem
Bushido der „Integrations-Bambi“ verliehen. Die eigentliche Ursache des Problems seien aber nicht die Rapper, betont Sookee: „Das größte Problem an Bushido sind die Leute, die ihn supporten.“
Etwa der Filmproduzent Bernd Eichinger, der einen Kinofilm über das Leben des Rappers gedreht hat. Oder eine Jugendinitiative um die Zeitschrift Bravo, die den Tabubrecher als Vorbild gegen
Gewalt an Schulen ans Brandenburger Tor geladen hatte. Jugendarbeit als Lösung Was tun dagegen? „Den Staat in die Verantwortung nehmen“, findet Sookee. Die pädagogischer Berufsausbildung müsse
überarbeitet werden, neue Lehrpläne gebastelt werden. „Kritischer Medienkonsum als Schulfach wäre wichtig“, schlägt sie vor. Außerdem Geld für gute Jugendarbeit, nicht nur für „Kleckerprojekte“.
Um den Sexismus aus dem Hip-Hop zu bekommen, so Sookees Fazit, müsse man den Sexismus erstmal aus der Gesellschaft bekommen – oder ihn zumindest thematisieren. Oder, wie Sookee sagt: „Wir müssen
dafür sorgen dass die Gesellschaft keinen Bock hat, sich so ne Scheiße reinzufahren.“
Die da mit der roten Jacke
Wie geht das eigentlich mit dem Strukturen überwinden? Die Psychologin Julia Scholz hat ein paar gute Tipps auf Lager. Und sie kritisiert ihr eigenes
Fach, das den Menschen immer noch als Maschine denkt.
Wie beschreibe ich einen Menschen, ohne ihn zu bewerten? Verzwickte Sache. Denn oft sind es die Abweichungen, die als erstes auffallen. Die Hautfarbe, das Alter oder die Körperform („der
Schwarze“, „die Dicke“). So wird aus der Beschreibung schnell eine diskriminierende Zuschreibung.
Geht beschreiben ohne bewerten?
„Label-Effekt“ heißt dieses Phänomen in der Psychologie. Fällt uns ein Merkmal häufiger auf, stecken wir es in eine gesellschaftlich erlernte Schublade. Etwa, dass „dicke“ Menschen sich
nicht im Griff hätten. Oder dass blonde Frauen doof sind. „Labels erschaffen Verschiedenheit“, erklärt die Psychologin Julia Scholz. Sie warnt vor einer „Homogenisierungsgefahr“, also dem
Trugschluss, dass die Menschen einer Merkmalsgruppe miteinander gleichgesetzt werden.
Menschen nicht als Maschinen denken
Aber ist das nicht einfach natürlich, und „irgendwie normal“? In psychologischen Untersuchungen werden Unterschiede zwischen Frauen und Männern, Dicken und Dünnen, „Inländern“ und
„Ausländern“ schließlich oft nachgewiesen. Scholz meint: Jein. Dass der Label-Effekt natürlich sei, hieße nämlich nicht, dass man ihn nicht steuern könne. „Die herkömmliche Psychologie
hat ein sehr mechanistisches Weltbild“, erklärt Scholz. Sie mache den Menschen oft zu einer Maschine, die nicht anderes könne als das, was empirisch untersucht wurde.
Queerfeministische Psychologie
Die Untersuchungsbedingungen vieler Studien, etwa zu Geschlechtsunterschieden, seien zudem oft fragwürdig. So würden fast alle Theorien an weißen, mittelständischen Amerikanern
vorgenommen. Dass deren psychologische Präferenzen nur einen spezifischen Bruchteil der Weltbevölkerung repräsentieren, werde nicht kritisch reflektiert. „Der Kontext der Forschungen wird
ignoriert“ erklärt Scholz. Die Psychologie beleuchte zwar vieles im Menschen, aber sich selbst lasse sie dabei aus.
Einseitige Untersuchungsgegenstände
„Ich bin oft am kämpfen mit der Psychologie“, erzählt sie. Als Vertreterin der queerfeministischen Psychologie begnüge sie sich deswegen nicht nur mit dem Benennen von Ungleichheiten. „Es
geht auch um die Frage, wie Strukturen überwunden werden können“, so Scholz. Die queerfeministische Psychologie wolle damit einen vielfältigeren Blick auf Wissenschaft ermöglichen. „Unser
Ansatz bietet keine eindeutigen Lösungen an“, erklärt Scholz. Vielmehr verstehe sich die kritische Psychologie als Kritik am Weltbild und den Methoden der herkömmlichen
Wissenschaft.
Die Macht von Gruppendynamik
Wie psychologische Strukturen durch eigenes Handeln gebrochen werden können, zeigt Scholz dann in einem Video: Die versteckte Kamera läuft, ein verletzter Mann liegt vor einem Bahnhof.
Die Passanten gehen vorbei, niemand hilft. Als schließlich eine Person zur Hilfe kommt, sind plötzlich auch andere Passanten zur Stelle. Der Grund: Solidarität funktioniere über
Gruppenzugehörigkeit. „Sobald jemand von außen handelt und hilft, helfen auch die anderen“, erklärt Scholz.
Gruppenidentifikationsprozesse Noch besser zeigt diesen Effekt ein zweites Beispiel. Nun trägt der Leidende Hemd und Krawatte, wie die
Passanten. Schon nach Sekunden kommt nun Hilfe. Scholz’s Fazit: Wer abweichend wirkt, läuft in Ausschluss-Gefahr. Hat eine Person aber den Mut, dieses Gruppenkonstrukt zu brechen, kann
sich die Situation sofort ändern.
Beschreiben ohne zuzuschreiben
In der Diskussion mit dem Publikum rät Scholz, eigene Strategien zur Überwindung von Ungerechtigkeiten zu entwickeln. So könnten Personenbeschreibungen auch ohne Zuschreibungen auskommen.
Statt auf Herkunft („Italienerin“) könne man auf den Beruf („Ärztin“) oder die Kleidung („rote Jacke“) einer Person verweisen. Oder man könne, wenn es nicht anders ginge, auch die eigene
Wertung bei der Beschreibung erwähnen.
„Verschiedene Denkweisen über Benachteiligung führen zu unterschiedlichen Gegenstrategien“, so Scholz. Was für sich selbst am besten funktioniere, müsse am Ende jede_r mit sich ausmachen.
„Letztendlich sollte jeder für sich selbst einen Weg finden“, rät sie zum Abschluss.
Valentin Niebler